1753

Ein Kulturprojekt an der Grenze

Vor kurzem hat sich die Gemeinde Kartitsch mit dem Tourismusverein Sexten und der Gemeinde Comelico Superiore zusammengetan, um die Reste der alten Landesgrenze zwischen Tirol und Venedig dem Vergessen zu entreißen. Dabei kommen zahlreiche Überraschungen zum Vorschein.

Grenzstreitigkeiten gibt es wahrscheinlich schon solange die Menschheit existiert. Geht es heutzutage zumeist um Öl, Wasser oder rücksichtslos gezogene Grenzen der Vergangenheit, stritten sich die Bewohner unserer Heimat vor Jahrhunderten hauptsächlich um Weidegründe und Almen. Buchstäblich jeder Quadratmeter war für das eigene Überleben wichtig.

Ein Interreg-Projekt im Grenzgebiet zwischen dem Pustertal und dem venetischen Comelico geht diesem Thema derzeit auf den Grund.

Anlass zu endlosem Zank gab es seit dem Mittelalter auch entlang der Grenze zwischen Tirol und der Republik Venedig. Diese verlief vom Karnischen Kamm bis zum Gardasee und sogar darüber hinaus.
Um einige Meter Weidegrund zu gewinnen, wurden Grenzbäume gefällt, Wachhütten angezündet und Vieh beschlagnahmt, es kam immer wieder zu Raufereien und sogar zu bewaffneten Auseinandersetzungen.

Damals waren Grenzen noch keine mathematisch bestimmten Linien. Deren genauer Verlauf wurde in der lokalen Erinnerung von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Es wundert kaum, dass die Erinnerung auf einer Seite der Grenze sehr oft mit jener auf der anderen Seite nicht übereinstimmte. Konfliktpotential gab es also genug.

In den 1740er Jahren machte sich eine gemeinsame Grenzkommission von Vertretern des Dogen von Venedig und Kaiserin Maria Theresias daran, das Problem ein für alle Mal zu lösen.
Erstmals kamen Landvermesser zum Einsatz, Venedig war damals auf diesem Feld führend.
So konnten für alle Streitpunkte friedliche Einigungen erzielt und in Rovereto ein Grenzvertrag unterzeichnet werden. In den Jahren 1753 und 1754 wurden entlang der gesamten Linie vom Karnischen Kamm bis zum Gardasee Grenzsteine errichtet.

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Viele dieser Steine stehen1753-media-files-foto-f027 noch heute einsam in Wäldern, auf Almen oder den Bergen der Dolomiten.

Ein besonders gut erhaltener Abschnitt befindet sich am Kreuzbergpass, im Grenzgebiet zwischen Sexten, Kartitsch und Comelico Superiore. Hier hat man schon viel Erfahrung in grenzüberschreitender Zusammenarbeit bei historischen Themen, und so hat sich im vergangenen Jahr der Tourismusverein Sexten mit den Gemeinden Kartitsch und Comelico Superiore zusammengetan, um die Denkmäler entlang der historischen Grenze zwischen Tirol und Venedig dem Vergessen zu entreißen.
Es gelang, eine Finanzierung im Rahmen Interreg V-A Programms Österreich-Italien 2014-2020 (CLLD Dolomiti Live – Aktion 1 Kleinprojektefonds) zu erhalten und so wurde in diesem Sommer mit den Arbeiten begonnen.

Das erste Ziel des Projektes ist, die Grenzsteine unter Denkmalschutz stellen zu lassen. Sie sind nämlich geteilter Besitz der angrenzenden Regionen und bisher gibt es noch keine Erfahrungen, wie so eine gemeinsame Unterschutzstellung rechtlich abzulaufen hat.
Aus diesem Grund beteiligen sich die Denkmalämter von Venedig, Trient, Bozen und Innsbruck als wissenschaftliche Partner an dem Projekt. Sie werden auch gemeinsam festlegen, wie Steine restauriert werden, und wie gegebenenfalls Kopien von verlorenen Steinen aussehen sollen.

In der ersten Projektphase haben sich Archäologen daran gemacht, nach allen Grenzsteinen im Kreuzberggebiet zu suchen. Dabei entdeckten sie aber nicht nur die Spuren von 1753, auch zahlreiche Stellungen aus dem Ersten Weltkrieg und des Alpenwalles kreuzen die alte Grenze. Darüber hinaus sind Reste eines Lagers aus der Römerzeit bereits vor mehreren Jahren am Kreuzbergpass freigelegt worden. Somit sind hier auf engstem Raum Spuren von über 2000 Jahren Geschichte vereint.

Um die Denkmäler und deren Geschichte wieder erlebbar zu machen, wird im Rahmen des Projektes auch an der Planung eines Grenzweges gearbeitet. Er soll von Kartitsch bis zum Fuß der Dolomiten führen und in Zukunft weiter bis an den Gardasee verlaufen. In Kartitsch wird ein Startpunkt mit einer erklärenden Ausstellung entstehen, beim Römerlager am Kreuzbergpass ein Aussichtsturm, entlang des Weges eine Hängebrücke.
Besondere Rücksicht wird auch auf die Naturdenkmäler entlang des Weges gelegt. Wasserfälle, Eish1753-media-files-foto-f022öhlen, Moore, seltene Pflanzen und Tiere. Dazu wird bereits vor Beginn des Projektes die Abteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung des Landes Südtirol eingebunden.

Das Projekt versteht sich als aktiver Beitrag zum Europäischen Jahr des Kulturellen Erbes 2018.
 
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gefördert durch die EU, den EFREFonds und Interreg V-A Italien-Österreich